Diese Lichtinstallation »Hollows in Newton’s Garden« oder weniger klangvoll in Deutsch: »Löcher in Newtons Garten«, bezieht sich unter anderem auf die Schablonen, die Sie hier im Raum installiert sehen.
Wenn Sie sich im Raum umsehen, dann können Sie 3,30m hohe Schablonen bemerken, aus denen Teile ausgestanzt sind. Zudem sehen Sie weiße Felder in schwarzen Feldern. Auf die weiß lackierten Oberflächen fällt spektrales Licht, das von den Prismen herrührt und von den weißen Feldern reflektiert wird. Durch die Löcher, die sich in den weißen Feldern finden, fallen dagegen Teile des spektralen Lichtes weiter nach hinten in den Raum. Dass Teile weiter nach hinten in den Raum fallen, hat eine bestimmte Funktion. Es werden dadurch Teile des spektralen Lichtes weggeschnitten, so dass Sie diese aus bestimmten Positionen im Raum nicht mehr sehen können.
Blicken Sie nun aus solchen Positionen durch ein Prisma auf die Reste des spektralen Lichtes, dann geschieht etwas Besonderes. Zunächst wird ja durch ein Prisma das Licht in einzelne Farben aufgefächert. Diese Erscheinung nennt man auch ein Regenbogenspektrum oder Newton-Spektrum, da Newton sich insbesondere mit der Erklärung dieses Phänomens beschäftigt hat. Aber das ist nicht das einzige, das hier passieren kann.
Sie können nicht nur mit dem freien Auge, sondern auch durch ein Prisma auf so ein Regenbogenspektrum schauen. Dann werden Sie wiederum nur weißes Licht oder besser einen schmalen weißen Lichtschlitz sehen. Haben Sie aber bestimmte farbige Teile aus diesem Regenbogenspektrum entfernt, das heißt: wurde es fragmentiert, dann sehen Sie kein weißes Licht mehr, sondern ein farbiges Licht.
Das rührt daher, dass eben bestimmte Teile des Lichtes fehlen und herausgeschnitten sind. Der verbleibende Rest an spektralen Farben wird zu einer neuen farbigen Erscheinung zusammengebündelt.
Kurz gesagt, das Prisma funktioniert wie eine Streu- und Sammellinse und dadurch ist es möglich, neue Farbzusammenhänge aufzubauen. Wenn Sie durch eines dieser aufgestellten Prismen durchschauen, dann werden jene farbigen Teile des spektralen Lichtes wieder zusammengezogen und gebündelt, welche vorne auf den Schablonen und weißen Feldern sichtbar geblieben sind. Die, welche nach hinten fallen, sind weggeschnitten und eben dadurch ergeben sich neue Farberscheinungen.
Um ein Beispiel zu geben. Wenn Sie vorne auf der Schablone nur ein Rot und ein Blau sehen, dann fällt der grüne Teil des Spektrums weiter nach hinten in den Raum und ist vorne weggeschnitten. Blicken Sie dann durch das Prisma auf dieses Rot und Blau, dann tritt Ihnen die sogenannte Purpur-Farbe entgegen, oder das Magenta, wie man heute sagt. Es baut sich eine neue Farbe aus den verbliebenen Spektralfarben auf, die Sie zuvor nicht im Spektrum sahen. Das heißt, das Prisma hat eine doppelte Funktion: eine Bündelungsfunktion beim Hindurchblicken auf ein durch dasselbe Prisma in Farben aufgefächertes Licht und eine Streufunktion, eine Zerlegungsfunktion, wenn Licht selbst durchgeschickt wird.
Man nennt das auch einen subjektiven und objektiven Versuch, den ich hier zu einem Versuch gekoppelt habe. In einem gekoppelten Versuch werden zwei Experimente zu einem Experiment kombiniert. Gekoppelte Versuche können aber auch eine ganze Reihe von Experimenten in ein Experiment zusammenführen. Das ist etwas, das ich gerne verfolge. Sie sehen hier eine ganze Reihe derartiger Versuche vor sich ausgebreitet. Deshalb auch vielleicht die im ersten Moment verwirrende Mannigfaltigkeit an farbigen Erscheinungen mit ihren diversen Kombinationen im Blick durch ein Prisma. Die Ordnung dieser Zusammenhänge ergibt sich aber nach und nach.
Normalerweise geht man von einzelnen und möglichst einfachen Versuchen aus und versucht über eine Serie mit kontrollierten Veränderungen auch die Zusammenhänge besser zu verstehen. Bei mir werden viele Versuche zu einem Versuch komprimiert. Die kontrollierten Veränderungen, wie sie die Wissenschaft fordert, liegen sozusagen im Hintergrund. Mir geht es ja weit mehr um den künstlerischen Aspekt in diesen Zusammenhang, was Du vorher (zu Silvie Aigner gewandt) mit dem Begriff der Anordnung kurz angedeutet hast.
Mir geht es als Künstler um Anordnungen im Raum, als Maler dann zudem um Anordnungen in der Fläche. Der Begriff der Anordnung ist ein Begriff aus der älteren Kunsttheorie. Man sprach von der »dispositio«, der Bildgliederung und der »compositio«, der Zusammenordnung. Die Kunst besteht darin, die Elemente und Momente der Malerei so anzuordnen, dass sie wieder ein Gefüge ergeben können aus dem heraus ein eigenes, ein künstlerisches Erlebnis, ein ästhetisches Erlebnis, wenn man es verkürzt ausdrücken will, erfassbar wird. Darauf kommt es mir eigentlich an. Ich interpretiere aber den Begriff neu.
Natürlich bauen solche Installationen keine Physiker, obwohl die Installation einen physikalischen Hintergrund besitzt. Mir ist vor allem der künstlerische Aspekt wichtig, d.h. wie diese Objekte, diese Schablonen mit den Prismen als Skulpturen im Raum angeordnet sind und, weil es mir als Maler ja auch um dem Bildbegriff geht, dass man sich in einem Bild befindet, wenn man in diesen Raum tritt und durch das Gehen im Raum eine Erfahrung dieses Bildes tätigen kann. Kurz gesagt: Die Installation ist ein begehbares Bild.
Auszug aus dem öffentlichen Gespräch mit Silvie Aigner in der Galerie Marenzi in Leibnitz (Gespräch als PDF).
BLOSSOMS IN GOETHE’S PEACH TREE / 2009, L 9 x B 0.8 x H 1.20 m, Lichtinstallation in der Galerie Hubert Winter 2009, Foto Michael Goldgruber
3 TO 42 [11 TIMES 3 COLORS TO 42 CUT OUTS] / 2016, L 12 x B 6.73 x H 3.30 m, Lichtinstallation in der Kunsthalle Krems der Ausstellung ABSTRAKT – SPATIAL. Malerei im Raum. Foto Ingo Nussbaumer
PASSAGES / 2010, Gesamtgröße 138 m2, Lichtinstallation aus der Ausstellung WORKING SHADE . FORMED LIGHT an der Humboldt Universität zu Berlin (in der ehemaligen Bauernmensa). 2010, Detailaufnahme. Blick auf die Auffangschablonen mit fragmentierten Newtonspektren der Objekte #1, #6, #7, #8 und #9, Foto Michael Goldgruber
HOLLOWS IN NEWTONS GARDEN / 2018, L 17.42 x B 5.7 x H 3.4 m, Lichtinstallation in der Galerie Marenzi aus der Ausstellung HOLLOWS IN NEWTONS GARDEN von 2018, Blick durch ein Prisma auf 4 fragmentierte Newtonspektren, Foto Nina Gospodin
HOLLOWS IN NEWTONS GARDEN / 2018, L 17.42 x B 5.7 x H 3.4 m, Lichtinstallation in der Galerie Marenzi aus der Ausstellung HOLLOWS IN NEWTONS GARDEN von 2018, Blick auf ein Prisma, einen Diaprojektor und 5 fragmentierten Newtonspektren, Foto Nina Gospodin
HOLLOWS IN NEWTONS GARDEN / 2018, L 17.42 x B 5.7 x H 3.4 m, Lichtinstallation in der Galerie Marenzi aus der Ausstellung HOLLOWS IN NEWTONS GARDEN von 2018, Blick auf 5 fragmentierten Newtonspektren, Foto Nina Gospodin
BLOSSOMS IN GOETHE’S PEACH TREE / 2009, L 9 x B 0.8 x H 1.20 m, Lichtinstallation in der Galerie Hubert Winter 2009, Montage Ingo Nussbaumer